THE IDEA OF LANDSCAPE
Acrylic Paint, Canvas, LED lights, Haiku, 2020-2022


Der Arbeitszyklus „The idea of landscape“ zeigt Leinwände aus Naturleinen, die mit wenigen Farbspuren bedeckt sind; hinter den Farbspuren leuchten in pulsierenden Rhythmus Worte aus Licht. Mensch und Auswirkung der Maschine verschmelzen miteinander: als Grundlage der Arbeiten dienen von einer KI generierte Haikus, die sich sowohl mit der Veränderung der Natur durch den Menschen als auch mit der Wahrnehmung, Bedeutung und Begrifflichkeit des Landschaftsbegriffes beschäftigt. Wir sehen hier die Entwicklung einer reinen Darstellung der Natur hin zur Darstellung einer durch den Rahmen begrenzten Landschaft bis hin zu einer vielschichtigen Reflexion über unsere Beziehung zur Umwelt und ihrem Ökosystem. Er ist geprägt von ästhetischen, philosophischen, sozialen und ökologischen Überlegungen, die den Blick auf Landschaften erweitern und neue Möglichkeiten der Interpretation und Erfahrung eröffnen.

Dazu hinterlässt die Künstlerin in einer menschlichen Geste der Flüchtigkeit eine Farbspur, die der Idee einer Landschaft nachspührt. Mit Hilfe eines Large Language Modells (oder genauer gesagt: die durch Machine Leanrning), das vorangig auf Erklärungsmodellen von Naturereignissen basiert, generiert sie ein Haiku.

Die entstandenen Gedichte enstammen einem Akt ohne Bewußtsein, die abstrakten Malereien basieren auf einer unbewußten Handlung. Wie lesen wir das Zusammenspiel von menschlicher Spur und maschineller Poesie?

Das durch ein SLM (small Languag Modell, das weniger Energie benötigt als sogenannte Large Language Modells wie GPT3) verfasste Haiku kann als aktuelle Weiterführung der französischen OuLiPo-Bewegung (L‘Ouvroir de Littérature Potentielle) gesehen werden, die in den 1960er Jahren nach neuen Strukturen und Mustern in der Literatur suchte. Die OuLiPo-Bewegung (Ouvroir de littérature potentielle, auf Deutsch etwa „Werkstatt für potenzielle Literatur“) wurde 1960 von Schriftstellern wie Raymond Queneau und Georges Perec ins Leben gerufen. Ihr Hauptziel war es, neue literarische Formen zu schaffen, indem sie strenge strukturelle Beschränkungen auferlegten. Beispielsweise wurde Perecs Roman „La Disparition“ (deutsch: „Das Verschwinden“) ohne den Buchstaben „e“ geschrieben, während Queneau in „Cent mille milliards de poèmes“ (deutsch: „Hunderttausend Milliarden Gedichte“) ein interaktives Werk schuf, bei dem der Leser verschiedene Zeilen kombinieren konnte, um unzählige Gedichte zu erzeugen. Die OuLiPo-Autoren glaubten, dass das Einführen solcher Beschränkungen die Kreativität stimulieren und neue Denkweisen fördern könnte.

Gedichte zu schreiben scheint uns als zutiefst menschliche Fähigkeit, ein K.I. erzeugtes Gedicht stellt die Frage nach der Grenze zwischen Mensch und Algorithmus. Dient die K.I. nur als Werkzeug? Längst können wir nicht mehr zwischen von Menschenhand-geschriebenen oder algorithmusbasierten Gedichten unterscheiden. Ist ihr Schaffen vor diesem Hintergrund eine kreative Setzung oder erst dann, wenn die K.I. aus eigenem Antrieb und Bewußtsein ein Gedicht schreiben will?


Bei näherer Betrachtung haben die unbewusste menschliche Geste und die menschliche Reaktion auf den Klimawandel viel gemeinsam: Wie sehen wir uns mit dieser Erde verbunden? Wie sehen wir die Landschaft, die uns umgibt? Mit Unmengen von Daten versuchen wir, über den Klimawandel nachzudenken und eine künstliche Distanz zwischen uns und der Natur, die uns umgibt – dem ökologischen Wandel – zu schaffen.

The work cycle „The idea of landscape“ shows canvases made of natural linen covered with a few traces of paint; behind the traces of paint, words of light shine in pulsating rhythm. Man and the effect of the machine merge with each other: haikus generated by an AI serve as the basis for the works, which deal both with the transformation of nature by man and with the perception, meaning and conceptuality of the concept of landscape. We see here the evolution of a pure representation of nature to the representation of a landscape limited by the frame to a multi-layered reflection on our relationship with the environment and its ecosystem. It is characterized by aesthetic, philosophical, social and ecological considerations that broaden the view of landscapes and open new possibilities of interpretation and experience.

To this end, in a human gesture of ephemerality, the artist leaves a trail of color that traces the idea of a landscape. With the help of a Large Language Model (or more precisely, those created through Machine Leanrning), based primarily on explanatory models of natural events, she generates a haiku.

The resulting poems originate from an act without consciousness, the abstract paintings are based on an unconscious act. How do we read the interplay of human trace and machine poetry?

The haiku composed by an SLM (small Languag model, which needs less energy than so called large language models like GPT3) can be seen as a current continuation of the French OuLiPo movement (L’Ouvroir de Littérature Potentielle), which sought new structures and patterns in literature in the 1960s. The OuLiPo movement (Ouvroir de littérature potentielle, roughly „Workshop for Potential Literature“) was launched in 1960 by writers such as Raymond Queneau and Georges Perec. Their main goal was to create new literary forms by imposing strict structural limitations. For example, Perec’s novel „La Disparition“ (German: „The Disappearance“) was written without the letter „e,“ while Queneau’s „Cent mille milliards de poèmes“ (German: „One Hundred Thousand Billion Poems“) created an interactive work in which the reader could combine different lines to create countless poems. The OuLiPo authors believed that introducing such constraints could stimulate creativity and encourage new ways of thinking.

Writing poems seems to us to be a profoundly human ability; an A.I. generated poem raises the question of the boundary between human and algorithm. Does A.I. serve only as a tool? We have long since been unable to distinguish between poems written by human hands or those based on algorithms. Against this background, is their creation a creative setting or only when the A.I. wants to write a poem of its own accord and consciousness?

Johanna Reich | Insights

Gain exclusive insights into the practice of Johanna Reich.

We talked to the artist during her solo exhibition at our gallery in January 2022.

Video © Tillmann Zizka

Sponsored by the Deutscher Verband für Archäologie, Neustart Kultur and the Bundesregierung für Kultur und Medien.