HD, 1:00 min, 2013
video performance, variable size


“Esse est percipi – To be is to be perceived.”
(George Berkley, The Principles Concerning Human Knowledge, 1710)


The artist is drawing a line onto a white surface. The line reveals the horizon: it separates the sea from the sky.

Die Künstlerin malt eine Linie auf eine weiße Wand.
Die Linie zeigt den Horizont, der den Himmel vom Meer trennt.

„Eine Linie ziehen“: das hat allein schon sprachlich vielfältige Bedeutungen. Von der berühmt gewordenen Linie, die politisch nicht überschritten werden darf, über das Anlegen einer konzeptuellen Richtschnur bis zum Strich, den man unter eine Addition zieht, reicht das Spektrum. Wenn Johanna Reich mit einem breiten Pinsel auf eine Wand eine Linie zieht, kommen noch ganz andere Inhalte ins Spiel. Da ist die Spur, die Kinder mit Kreide an Mauern hinterlassen, der traditionell aufgeladene Künstlermythos von der Linie als gelebter Spur des kreativen Prozesses und nicht zuletzt der bilderstürmerische Akt der bekleckerten Wand. Die schwarz gekleidete Figur im Video hinterlässt jedoch eine Linie besonderer Art. Sie offenbart beim genaueren Hinsehen ein sich bewegendes Innenleben, entpuppt sich als Horizontlinie über einer Wasserfläche.
Johanna Reichs Video erweist sich als Lehrstück für Blickbedingungen, das Umgehen mit Situationen und den eigenen Freiraum darin. Damit gewinnt diese Arbeit aus dem Labor der Kunst eine weit reichende Relevanz – unter anderem für soziale Fragen, die Selbstbehauptung und den Umgang mit verschiedenen Horizonten und Blickbedingungen.
Dr. Johannes Stahl