Petrarca`s View
LightScans on Dibond, framed, 90cm x 120 cm, 2021
In 1336, the Italian poet Francesco Petrarch climbs Mont Ventoux. The description of this experience marks a turning point in the perception of nature: while climbing Mont Ventoux, Petrarch experiences a moment of contemplation, he sees the landscape for its own sake, detached from its utility, he perceives something that was not perceived before.
Mentally, this description marks a caesura: man and nature experience their separation (Friedrich Schiller), the landscape becomes an object, a „work of art in statu nascendi“(Georg Simmel) and at the same time man begins to dominate nature more and more. Man‘s intervention has grown over the centuries into a powerful impact, he is no longer the small figure in contemplation before the mighty nature, but every action has an impact on the (own) environment and thus in turn on himself. Currently, in the age of A.I. and Anthropocene, we understand that the separation of culture and nature may have existed only in thought: we are closer to nature than to artificial intelligence, we are intimately interwoven.
PETRARCA‘S VIEW is based on images of forest fires collected over the last five years and, as a „fire series,“ forms the counterpart to the „water series“ about the coastal landscape SHAPE OF THE SHORE. The archaic sight of fire has always exerted a magical and at the same time ambivalent attraction on man. Johanna Reich makes the sight of fire visible as a moment of enigma, the moment of non-comprehension, with the help of her own developed technique: the forest fire image was photographed by Polaroid and scanned during development. The motif of the forest fire can be glimpsed, seen as a luminous glow and yet as unreal as the fact and consequences of advancing global warming.
Once Petrarch stood overwhelmed by the height, the landscape, the view on Mont Ventoux – now we do so in view of the destruction of the same caused by us. Our understanding is in the misty, we know about the grotesque, catastrophic situation and yet it does not seem real to us, not tangible. We see and yet we do not see.
1336 besteigt der italienische Lyriker Francesco Petrarca den Mont Ventoux. Die Beschreibung dieses Erlebnisses markiert einen Wendepunkt in der Wahrnehmung von Natur: Während der Besteigung des Mont Ventoux erlebt Petrarca einen Moment der Kontemplation, er sieht die Landschaft um ihrer selbst Willen, herausgelöst aus ihrem Nutzen, er nimmt etwas wahr, das zuvor nicht wahrgenommen wurde. Gedanklich markiert diese Beschreibung eine Zäsur: Mensch und Natur erleben ihre Trennung (Friedrich Schiller), die Landschaft wird zum Objekt, zum “Kunstwerk in statu nascendi”(Georg Simmel) und gleichzeitig beginnt der Mensch, die Natur immer stärker zu beherrschen. Das Eingreifen des Menschen ist über die Jahrhunderte zu einem gewaltigen Einwirken angewachsen, er ist nicht mehr die kleine Figur in Kontemplation vor der gewaltigen Natur, sondern jede Handlung hat Auswirkungen auf die (eigene) Umwelt und damit wiederum auf sich selbst. Aktuell, im Zeitalter von K.I. und Anthropozän begreifen wir, dass die Trennung von Kultur und Natur vielleicht nur gedanklich existierte: wir stehen der Natur näher als der künstlichen Intelligenz, wir sind aufs Engste miteinander verwoben.
PETRARCA‘S VIEW basiert auf über die letzten fünf Jahre gesammelten Bildern von Waldbränden und bildet als „Feuerserie“ den Gegenpart zur „Wasserserie“ über die Küstenlandschaft SHAPE OF THE SHORE. Der archaische Anblick von Feuer übt von jeher eine magische und gleichzeitig ambivalente Anziehungskraft auf den Menschen aus. Johanna Reich macht den Anblick des Feuers mit Hilfe ihrer eigens entwickelten Technik als einen Augenblick des Rätselhaften, den Moment des Nicht-Begreifens sichtbar: Das Waldbrandbild wurde per Polaroid abfotografiert und während der Entwicklung eingescannt. Das Motiv des Waldbrands ist zu erahnen, als leuchtender Schein zu sehen und doch unwirklich wie die Tatsache und Folgen der voranschreitenen Erderwärmung.
Einst stand Petrarca überwältigt ob der Höhe, Landschaft, dem Blick auf dem Mont Ventoux – nun tun wir dies im Blick auf die von uns ausgelöste Zerstörung derselbigen. Unser Verstehen befindet sich im Nebelhaften, wir wissen um die groteske, katastrophale Situation und doch scheint sie uns nicht real, nicht greifbar. Wir sehen und sehen doch nicht.